C.A.T.­-Training mit aggressiven und ängstlichen Hunden (2024)

Das Training mit aggressiven bzw. ängstlichen Hunden ist nicht ganz einfach. Oft wird gegen den Hund gearbeitet und vesucht, Verhalten zu verbieten und zu unterdrücken. Mit C.A.T. zeigt uns Mary Hunter einen anderen Weg, der genau durchdacht, individuell und mit langanhaltendem Erfolg funktioniert.

Vor einigen Jahren trainierte ich intensiv mit einem jungen Labrador, der zum Servicehund ausgebildet werden sollte. Drill Bit, so hieß der Hund, war ein hübscher, cleverer Hund, der sich bisher gut gemacht hatte. Dann gab es jedoch ein Problem. Drill Bit fand es immer unangenehmer, wenn ihn Fremde anstarrten, vor allem wenn sie dies über längere Zeit taten. Sobald er bemerkte, dass ihn jemand anstarrte, spannte er sich an, seine Nackenhaare sträubten sich und er sprang bellend und knurrend auf die Person zu.

Die Organisation, der Drill Bit gehörte, versuchte erfolglos verschiedene Dinge, um das Problem zu lösen. So dachten sie dann darüber nach, ihn aus dem Trainingsprogramm zu entfernen und als Familienhund weiterzuvermitteln. Allerdings war sein Verhalten fremden Personen gegenüber so heftig, dass es hätte schwierig werden können, einen neuen Halter für ihn zu finden.

Hundehalter und sogar professionelle Hundetrainer wissen oft nicht, wie sie mit aggressivem Verhalten umgehen sollen, um das Problem zu lösen. Es gibt viele verschiedene Trainingsmethoden für Aggressionsprobleme, aber nicht immer führen diese zum gewünschten Resultat: einem glücklichen und entspannten Hund.

In anderen Fällen scheint das Training zu funktionieren, dauert aber Monate oder sogar Jahre.

Gab es also irgendeine Art von Training, die Drill Bit helfen könnte, seine Angst zu überwinden?

In den letzten zehn Jahren haben Dr. Jesús Rosales-Ruiz von der Universität in Nord-Texas und einige seiner Studenten an einer systematischen, auf wissenschaftlichen Grundlagen basierenden Trainingstechnik gearbeitet, die Hunden (und anderen Tieren) helfen soll, die mit aggressivem und ängstlichem Verhalten versuchen, Abstand zwischen sich und dem Auslöser zu schaffen.

Diese Technik heißt C.A.T. oder Constructional Aggression Treatment (konstruktive Aggressionsbehandlung).

Die C.A.T.-Technik bringt Hunden bei, Dingen oder Personen gegenüber ruhig, freundlich und neugierig zu sein, anstatt sich wie vorher aggressiv oder ängstlich zu verhalten.

Dieser Artikel ist eine Einführung in C.A.T. Zuerst erkläre ich, was es bedeutet, „konstruktiv“ zu sein. Dann umreiße ich die grundlegenden Schritte der Technik. Zum Schluss erzähle ich von Drill Bit und zwei anderen Hunden, die sehr von dieser Technik profitiert haben.

Was bedeutet es, „konstruktiv“ zu sein?

Hundetrainer haben immer mal wieder mit Hunden zu tun, die beunruhigendes oder sogar gefährliches Verhalten zeigen. Dazu gehören bellende, knurrende, schnappende Hunde oder auch Hunde, die schon Menschen oder andere Hunde gebissen haben. Diese Probleme sollen natürlich gelöst werden. Wenn der Hundfremde Menschen anknurrt, ist das Ziel oft, ihm beizubringen, nicht zu knurren. Wenn es nicht möglich ist, dieses unerwünschte Verhalten zu beseitigen, soll das Verhalten wenigstens reduziert werden oder der Hund soll lernen, die ihm unangenehme Situation zu tolerieren.

Dr. Israel Golddiamond, ein Verhaltensforscher, entwickelte einen alternativen Ansatz. Er nannte ihn den „konstruktiven Ansatz“, da er darauf abzielte, sich auf die Lösung, die es zu trainieren gilt, zu konzentrieren, statt auf das Problem, das man beseitigen will. Durch das Beantworten von 4 Fragen mit konstruktivem Ansatz kann ein Trainingsprogramm entwickelt werden:

Frage 1: Wo willst du hin?

Die Antwort auf diese Frage beschreibt das Endergebnis deines Trainingsprogramms. Also das, was du letztendlich erreichen möchtest. Die Frage soll sich allerdings auf das neue Verhalten beziehen, das du haben möchtest, und nicht auf das Verhalten, das du beseitigen willst.

Statt also zu sagen: „Ich möchte, dass mein Hund aufhört, andere Menschen anzuknurren“, beantwortest du diese Frage mit: „Ich möchte, dass mein Hund sich anderen Menschen mit weicher Körpersprache annähert und freundlich mit dem Schwanz wedelt. Dann soll er die Person mit entspannter Mimik beschnüffeln.“ Diese zweite Antwort zeichnet das Bild, wie dein Hund nachher aussehen soll.

Frage 2: Wo stehst du jetzt?

Durch die zweite Frage des konstruktiven Ansatzes sollst du überlegen, wie der momentane Stand ist. Normalerweise machen Menschen das, indem sie beschreiben, was nicht gut läuft. So würde typischerweise jemand antworten: „Mein Hund bellt und knurrt, wenn ein Fremder in die Wohnung kommt.“

Der konstruktive Ansatz beantwortet die Frage komplett anders. Man fokussiert sich dabei auf die vorhandenen Fähigkeiten und Stärken des Hundes. Man kann zum Beispiel sagen: „Mein Hund ist entspannt, wenn er neuen Menschen im Park begegnet. Es ist für ihn auch in Ordnung, Menschen draußen zu treffen, wenn er an der Leine ist und die Person ein paar Minuten wartet, bevor sie näherkommt.“

Diese Frage ist wichtig, weil sie zeigt, was der Hund momentan schon gut kann. Es ermöglicht uns zu erkennen, wo wir mit dem Training beginnen und worauf wir aufbauen können.

Frage 3: Wie kommst du dorthin?

Diese Frage beschreibt, wie man vom Startpunkt (Frage 2) zum Ziel (Frage 1) gelangt. Man startet mit den Dingen, die der Hund schon kann und trainiert schrittweise neues Verhalten, um zum Ziel zu gelangen. Jeder Schritt muss klein genug sein, um erreicht werden zu können. Im nächsten Teil dieses Artikels geht es speziell um die Schritte, die die C.A.T.-Technik nutzt, um aggressive Hunde zu trainieren, ruhig und freundlich zu werden.

Frage 4: Was brauchst du, damit es funktioniert?

Diese Frage betrifft die Verstärker, die während des Trainings und danach gebraucht werden.

Der beste Weg, diese Frage zu beantworten, ist zu klären, welche Verstärker momentan zu dem unerwünschten Verhalten führen. Wenn Tiere extremes Verhalten wie knurren oder beißen zeigen, ist normalerweise ein ganz spezieller Verstärker für das Individuum wichtig. Hunde nutzen beispielsweise aggressives Verhalten, um andere Hunde (oder Menschen) dazu zu bringen, wegzugehen. Menschen sehen in solch einem Verhalten wie Knurren oft ein problematisches Verhalten. Stattdessen kann man es aberauch so sehen, dass es eine Möglichkeit für das Tier ist, zu erreichen, was es will.

Ein konstruktiver Ansatz identifiziert die Verstärker, die das unerwünschte Verhalten verstärken, und nutzt diese, um das Tier dazu zu bringen, passenderes Verhalten zu zeigen.

Stellen wir uns einen Hund vor, der knurrt und bellt, wenn eine neue Person sich nähert. Der Hund hat gelernt, dass die Person stehenbleibt oder sogar weggeht, wenn er weiterknurrt. Das zeigt, dass der Hund Abstand zwischen sich und der Person möchte. Während des Trainings kann man dem Hund das geben, was er möchte (Abstand zur Person), wenn er das Verhalten zeigt, das man möchte (jedes entspannte, ruhige oder freundliche Verhalten). Im Laufe des Trainings können diese Verhaltensweisen ausgeweitet werden, bis der Hund lernt, wirklich ruhig und freundlich zu sein, wenn fremde Menschen um ihn herum sind.

Die grundlegenden Schritte der C.A.T.-Technik

Dieser Teil gibt einen Überblick über die Schritte, die während der C.A.T.-Technik wichtig sind. Wir möchten jedoch darauf hinweisen, dass es hierzu noch viel zu lernen gibt und man sich Hilfe bei einem professionellen Trainer suchen sollte, wenn man C.A.T. mit seinem Hund probieren möchte.

Schritt 1: Verstehe deinen Hund

Vor dem Start muss genau beschrieben werden, wann und wo das aggressive Verhalten auftritt. Zeigt er diese Verhaltensweisen bei bestimmten Menschen um sich herum, an speziellen Orten oder bei speziellen Gelegenheiten? Es muss außerdem klar sein, dass dein Hund aggressives Verhalten vor allem deshalb zeigt,weil er die Distanz zum anderen Hund (oder der Person) erhöhen möchte.

Schritt 2: Stell dir den perfekten Hund vor

C.A.T. konzentriert sich auf erwünschtes Verhalten. Was möchtest du also, was dein Hund genau tut, wenn das Training erfolgreich beendet ist? Es kann helfen, zu beobachten, was der Hund momentan tut, wenn er glücklich, entspannt, zufrieden, freundlich und/oder neugierig ist. Erstell dir eine Liste dieser erwünschten Verhaltensweisen.

Schritt 3: Manage die momentanen Situationen

Es kann viele Trainingseinheiten dauern, bevor dein Hund in den vormals problematischen Situationen klarkommt. In der Zwischenzeit wirst du einiges verändern müssen, um außerhalb des Trainings seine Ausbrüche zu reduzieren. Zum Beispiel indem du deinen Hund in einem anderen Teil des Hauses unterbringst, wenn Fremde zu Besuch kommen.

Schritt 4: Mach dich fertig für das Training

Du brauchst eine sichere Umgebung mit wenigen Störungen, wo du trainieren kannst. Außerdem brauchst du einen „Dummy“. Der „Dummy“ ist eine Hilfsperson (oder ein anderer Hund mit seinem Halter), der sich dem Hund während des Trainings annähert. Du musst den Hilfspersonen genaue Anweisungen hierfür geben.

Schritt 5: Bestimme deinen Startpunkt

Der erste Schritt des Trainings ist, herauszufinden, an welchem Punkt der Hund auf den „Dummy“ reagiert, aber bevor er unerwünschtes Verhalten wie Bellen, Knurren oder Sichducken zeigt. Beginne in einem großen Abstand zwischen Hund und „Dummy“, am besten außer Sicht, um diesen Punkt herauszufinden. Lass dann den „Dummy“ näherkommen. Achte auf kleinste Veränderungen im Verhalten des Hundes. Wann bemerkt der Hund den „Dummy“? Lass ihn an diesem Punkt anhalten und weggehen, bevor der Hund unerwünschtes Verhalten zeigt. Der „Dummy“ soll so weit weggehen, dass der Hund sich wieder normal verhalten kann (also wieder das tut, was er zuvor getan hat).

Schritt 6: Forme neues VerhaltenC.A.T.­-Training mit aggressiven und ängstlichen Hunden (1)Entspanntes Hinschauen mit offener Schnauze zum entgegenkommenden Menschen führt zu Distanzvergrößerung.

Bevor sich der „Dummy“ nähert, können Hund und Halter sich noch miteinander beschäftigen. Der Halter kann seinen Hund streicheln oder auf ruhige Art mit ihm spielen. Der Hund sollte entspannt sein und sich wohlfühlen. Sobald sich der „Dummy“ jedoch nähert, sollte der Halter aufhören, mit dem Hund zu interagieren. Er sollte den Hund beobachten und nicht versuchen, ihn zu unterbrechen.

Anfangs gibt der Trainer dem „Dummy“ ein Signal, sich bis zum Startpunkt, der in Schritt 5 definiert wurde, zu nähern. Der„Dummy“ sollte sich normal schnell bewegen. Wenn er sich extra langsam bewegt, könnte der Hund sonst lernen, sich nur in Gegenwart von sich langsam bewegenden Personen/Hunden wohlzufühlen!

Wenn der „Dummy“ den Startpunkt erreicht hat, bleibt er stehen und wartet. Trainer und „Dummy“ warten nun darauf, dass der Hund irgendein freundliches oder entspanntes Verhalten zeigt. Das kann auch nur ein erster Ansatz in Richtung eines solchen Verhaltens sein.

Der Hund starrt vielleicht nicht mehr den „Dummy“ an, sondern dreht den Kopf zur Seite, schnüffelt am Boden oder blinzelt leicht mit den Augen. Sobald der Hund ein solches Verhalten zeigt, entfernt sich der „Dummy“ und wartet ungefähr eine Minute, bevor er wieder erscheint. In dieser Distanz übt man so oft, bis der „Dummy“ zweimal nacheinander erscheinen kann und der Hund absolut entspannt bleibt.

Beim nächsten Mal kommt der „Dummy“ ein kleines Stück näher. Die genaue Distanz hängt vom Hund ab. Zeigt der Hund jedoch eine heftige Reaktion, war der „Dummy“ zu dicht. Mit Hilfe dieses Formens (Shaping) kann der „Dummy“ also immer dichter herankommen.

Außerdem muss an der Dauer gearbeitet werden, die der „Dummy“ an dem Punkt bleibt. Und es müssen Körperhaltung und -position verändert werden im Laufe des Trainings. Die Hilfsperson kann stehen, auf einem Stuhl sitzen, reden, sich schneller bewegen und vieles mehr. Ein fremder Hund kann sich aus verschiedenen Ecken nähern, mit seinem Halter interagieren oder Aufgaben auf Signal zeigen.

Schritt 7: InteraktionC.A.T.­-Training mit aggressiven und ängstlichen Hunden (2)Das „Züngeln“ ist ein freundliches Signal und führt dazu, dass der „Dummy“ verschwindet.

Beende den vorherigen Schritt, wenn die Hilfsperson sich gerade noch außerhalb der Leinenreichweite zum Hund befindet. Bleib an diesem Punkt, bis der Hund absolut entspannt bleibt und mindestens eine Minute lang auch kein unerwünschtes Verhalten zeigt, während sich die Hilfsperson nähert.

Man wird es dem Hund ansehen, wann er bereit für die Interaktion ist. Der Hund sollte nicht extra gelockt oder motiviert werden, Kontakt aufzunehmen, bevor er das nicht selbst möchte!

An diesem Punkt achte auf freundliches und neugieriges Verhalten wie z. B. das Schnüffeln in Richtung der Person, freundliches Schwanzwedeln oder ein entspanntes Auf-die-Hilfsperson-Zugehen. Wenn der Hund neugierig und interessiert ist, kannst du ihn hingehen lassen und an der Hilfsperson schnuppern lassen. Diese Kontaktaufnahmen sollten nur einige Sekunden kurz sein und dann wieder beendet werden. Mit der Zeit können sie dann auch länger dauern.

Eine menschliche Hilfsperson sollte den Hund in diesem Trainingsstadium nicht füttern. Es könnte sonst sein, dass der Hund sich annähert, um ein Leckerchen zu bekommen, sich aber immer noch unwohl oder ängstlich fühlt.

Bei einem Hund als Hilfe kann der Interaktionsprozess gestartet werden, indem die Halter sich mit den Hunden hintereinanderher bewegen. Der Abstand zwischen beiden Hunden kann dann allmählich verringert werden. Danach können die Hunde parallel nebeneinander laufen. Wenn es passt, dürfen die Hunde auch kurz Kontakt miteinander aufnehmen.

Im Laufe des Trainings wird der Hund einen Punkt erreichen, an dem er sich dem „Dummy“ annähern und Kontakt aufnehmen möchte. Wir nennen diesen Moment den „Umschaltpunkt“.

Schritt 8: GeneralisierenC.A.T.­-Training mit aggressiven und ängstlichen Hunden (3)Das Training beginnt, wenn der Hund sich sicher und entspannt fühlt.

Nach dieser ersten Interaktion wird dasselbe mit dem gleichen „Dummy“ zu einem späteren Zeitpunkt erneut geübt. Eventuell musst du einige der Schritte vorher wiederholen. Trainiere so oft, bis der Hund diesem „Dummy“ gegenüber von Anfang an ruhig und freundlich bleibt.

Du musst außerdem beginnen, mit anderen „Dummys“ und an anderen Orten zu trainieren. Mit jedem neuen „Dummy“, jedem anderen Ort oder anderer Variation wird das Training schneller voranschreiten. Du kannst vermutlich in geringerer Distanz starten und kannst jedes Mal größere Trainingsschritte machen.

Das Training dauert so lange, bis der Hund sofort bei jedem neuen „Dummy“ entspannt bleibt.

Das klingt, als würde das Training ziemlich lange dauern. Wir finden aber, dass es tatsächlich meist sehr schnell geht. Und zwar weil wir das benutzen, was der Hund wirklich möchte: Abstand vom Auslöser.

Und weil man in ausreichend großem Abstand beginnt, in dem es dem Hund leichtfällt, das erwünschte Verhalten zu zeigen, nämlich ruhiges und freundliches Verhalten.

Und wenn die Aggression zurückkommt?

Manchmal, wenn man schon gedacht hat, dass das Training abgeschlossen war, tritt doch noch mal aggressives Verhalten auf. In diesen Situationen zeigt dir der Hund, dass sich etwas bezüglich des Auslösers oder der Umgebung verändert hat. Er ist auf ein neues Kriterium gestoßen, das ihn verunsichert. Es ist jetzt deine Aufgabe, herauszufinden, was sich geändert hat, und zusätzliches Training für deinen Hund zu starten.

Fallstudien für den Umgang mit C.A.T. bei aggressiven und ängstlichen Hunden

Ich möchte über drei Fälle berichten, in denen Hunde durch C.A.T. gelernt haben, sich ruhig und freundlich zu benehmen.

Ich hoffe, dass diese drei Beispiele die Anwendung von C.A.T. in verschiedenen Situationen noch besser erklären.

Fallstudie 1: Drill Bit

Drill Bit war der Labrador Retriever, den ich zu Beginn des Artikels erwähnt habe. Drill Bit begann, sich unwohl zu fühlen, wenn Fremde ihn anstarrten. Er fing dann an, sich aufzuregen und bellte und knurrte. Er klang schrecklich, dabei wollte er nur, dass die Person verschwindet!

Unser Ziel war, dass Drill Bit ruhig und entspannt in Gegenwart fremder Menschen blieb, auch wenn sie ihn anstarrten. Wir begannen mit dem Training in meinem Garten, wo uns niemand stören konnte. Eine Bekannte von mir, die Drill Bit noch nicht kannte, stellte sich als „Dummy“ zur Verfügung. Ich saß auf einem Stuhl mitten in meinem Garten und hatte Drill Bit an der Leine. Die Fremde würde durch das Gartentor kommen. Das war ein Abstand, bei dem Drill Bit nur leicht beunruhigt war, aber noch nicht bellte oder knurrte. Als die Fremde durch das Tor kam, warteten wir, bis Drill Bit ein Verhalten anbot, das uns leichte Entspannung zeigte. Das konnte das Wegsehen vom „Dummy“ sein, Hinlegen, Sichstrecken, Auf-einem-Stock-Herumkauen oder viele andere Verhaltensweisen. Sobald er das zeigte, verschwand derDummy“ wieder. Sie wartete ungefähr eine Minute und kam dann erneut durch das Tor.

Mit der Zeit wurde Drill Bit entspannter und die Fremdekonnte immer näher kommen. Als sie schon sehr nah herankommen konnte, achteten wir vermehrt auf ernst gemeinte freundliche Verhaltensweisen von Drill Bit, wie das Hinschnüffeln zur Person, freundliches Schwanzwedeln und an der Leine ziehen, um hinzugehen. Wenn er das zeigte, durfte Drill Bit Kontakt aufnehmen und sie wurden rasch Freunde. Wir wiederholten das Training in den nächsten Wochen mit neuen „Dummys“ und in neuen Umgebungen. Wir passten die Übungen immer weiter den Situationen an, in denen Drill Bit alltäglich auf neue Menschen traf. So lange, bis er wieder gut mit Fremden in der Öffentlichkeit klarkam wie zum Beispiel beim Spaziergang durch das Studentenwerk.

Fallstudie 2: Rocky

Rocky war ein schwarzer Labrador Retriever, der Chase Owens, einem Studenten von Dr. Jesús Rosales-Ruiz, gehörte. Rocky teilte seine Tennisbälle (oder andere Spielzeuge) nicht gern mitanderen Hunden. Er hätte geknurrt und geschnappt und sogar gebissen, wenn ein Hund ihm zu nahe gekommen wäre, während er auf einem Spielzeug herumkaute. Sein Halter durfte keine Spielzeuge herumliegen lassen, wenn andere Hunde dabei waren, und musste sehr aufpassen, wenn Rocky mit anderen Hunden zusammen war.

Während des Trainingsprozesses hielt ein Trainer Rockys Leine, während er auf einem Tennisball kaute. Dann näherte sich ein anderer Trainer mit einem zweiten Hund. Sie stoppten in einem Abstand, in dem Rocky die Annäherung wahrnahm. Sobald Rocky Anzeichen von entspanntem oder freundlichem Verhalten zeigte, entfernte sich der Trainer mit dem anderen Hund wieder.

Vor dem Training zeigte Rocky aggressives Verhalten (Schnappen, Beißen usw.), um den anderen Hund zum Weggehen zu bewegen. Jetzt brachte nur freundliches oder entspanntes Verhalten den anderen Hund dazu, sich zu entfernen.

Als Rocky während des Trainings in Gegenwart des anderen Hundes immer entspannter wurde, näherte sich der Trainer mit dem Hund nach und nach immer weiter. Am Ende wollte Rocky mit dem anderen Hund Kontakt aufnehmen. Er nahm ein Spielzeug, brachte es zu dem anderen Hund und forderte ihn zum Spielen auf. Wir nennen diesen Teil den Umschlagspunkt, weil der Hund nun Kontakt aufnehmen möchte, statt Abstand zu verlangen. Mit zusätzlichem Training lernte Rocky, sein Spielzeug mit jedem anderen Hund, der ihn besuchte, zu teilen.

Fallstudie 3: Lane

Lane war eine zweijährige Mischlingshündin, die in einem Tierheim in Texas lebte. Sie wurde im Zusammenhang mit einem „Hording“-Fall beschlagnahmt. Lane wurde als sehr schüchtern beschrieben und verbrachte die meiste Zeit versteckt unter ihrem Bett. Morgan Katz, eine Studentin von Dr. Jesús Rosales-Ruiz, arbeitete mit Lane und einigen anderen Hunden im Rahmen ihrer Masterarbeit. Vor dem Training kauerte jeder dieser Hunde an der Rückseite seines Zwingers, sobald ein Mensch auftauchte.

Das Ziel des Trainings war es, dem Hund beizubringen, zur Zwingertür zu kommen und die Interaktion zu suchen, wenn sich eine Person näherte, um den Hund aus dem Zwinger zu nehmen.

Zu Beginn näherte sich die Trainerin von außen Lanes Zwinger. Sie achtete auf jedes kleine Zeichen von Entspannung, Interesse oder Neugierde. Zuerst reichte es, wenn Lane einfach zu ihr hinschaute und Augenkontakt herstellte. Wenn das geschah, entfernte sich die Trainerin wieder, weil es das war, was Lane wollte.

Im Laufe der Zeit achtete der Trainer auf immer deutlichere Anzeichen von freundlichem Verhalten, wie Kopfbewegungen zum Trainer, Körperbewegungen hin zum Trainer, In-den-vorderen-Teil-des-Zwingers-Kommen und Dortbleiben. Die Trainerin belohnte dieses Verhalten, indem sie sich vom Zwinger entfernte.

Am Anfang hielt Lane sich vor allem im hinteren Teil des Zwingers auf. Aber im Laufe des Trainings begann sie, nach vorn zu kommen, wenn die Trainerin sich näherte. Die Trainerin bemerkte außerdem, dass Lane anfing, in ihre Richtung zu schnüffeln und freundlich mit dem Schwanz zu wedeln. Zum Schluss kam Lane nach vorn in den Zwinger und ließ sich von der Trainerin streicheln und anleinen. Sie war ein vollkommen anderer Hund als zuvor!

Diese drei Hunde haben sehr von C.A.T. profitiert. Die Technik wurde aber mittlerweile bei hunderten von aggressiven und ängstlichen Hunden angewendet. Sie ist eine schnelle und effiziente Möglichkeit, Hunden beizubringen, entspannt und freundlich in Situationen zu bleiben, die zuvor aggressives oder ängstliches Verhalten ausgelöst haben.

Übersetzung: Ariane Ullrich

Artikel-Download als PDF

C.A.T.­-Training mit aggressiven und ängstlichen Hunden (4)

Mary Hunter

Zur Person

Mary Hunter hat den Masterabschlussin angewandter Verhaltensanalyseder Universität Nord-Texas. Sie istPräsidentin der Organisation „The Artand Science of Animal Training“, dieWeiterbildung für Tiertrainer anbietet.Außerdem bietet Mary private Trainingsstundenfür Hundehalter in Nord-Texas an undteilt ihre Erfahrungen und Erlebnisse auf ihremprivaten Blog unter www.StaleCheerios.com.

Kontakt

www.StaleCheerios.com

C.A.T.­-Training mit aggressiven und ängstlichen Hunden (2024)
Top Articles
Latest Posts
Article information

Author: Arline Emard IV

Last Updated:

Views: 5673

Rating: 4.1 / 5 (72 voted)

Reviews: 95% of readers found this page helpful

Author information

Name: Arline Emard IV

Birthday: 1996-07-10

Address: 8912 Hintz Shore, West Louie, AZ 69363-0747

Phone: +13454700762376

Job: Administration Technician

Hobby: Paintball, Horseback riding, Cycling, Running, Macrame, Playing musical instruments, Soapmaking

Introduction: My name is Arline Emard IV, I am a cheerful, gorgeous, colorful, joyous, excited, super, inquisitive person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.